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Kastenwesen.ZUR VOLKSKUNDE. XLV niederlassen, so bilden sie eine neue Kaste, weil ihre alten Genossen
sie wegen der Veränderungen der Lebensweise, die ein solcher Orts-
wechsel
mit sich bringt, nicht mehr als ebenbürtig anerkennen. Die
gleiche Wirkung hat die Annahme eines neuen rituellen Brauches.
Der Hauptgrund aber für die ungeheure Zahl der Kasten liegt darin,
daß jeder einzelne Beruf zur Kaste geworden ist. Es wird dabei
eine ganze Stufenleiter höherer und niederer Kasten unterschieden:
ganz unten, aber immer noch über den unreinen, verachteten Parias
(Outcasts), deren Berührung jeder vermeidet, stehen die Jäger,
Fischer, Lederarbeiter und Weber, oben die Goldschmiede, die
Bankiers, die Schreiber (Kâyasthas), die sich zu den Beamten-
stellungen
drängen, die kriegerischen Râdschputen, und über allen
anderen natürlich die Brahmanen. Diese Rangordnung unterliegt
in den verschiedenen Teilen Indiens allerlei Schwankungen und wird
durch mannigfache Speiseverbote, Reinigungsgesetze und sonstige
Sitten, die entweder als vornehm oder als anstößig gelten, zu einem
außerordentlich verwickelten System.

Die einzelnen Berufe sind durch die Kastengesetze so scharf
voneinander geschieden, daß gemeinsames Essen und Trinken nur
innerhalb einundderselben Gilde oder Handwerkszunft erlaubt und
die Eheschließung zwischen Leuten, die verschiedenen Berufsarten
angehören, verboten ist. Die Schuhmacher, Gerber, Schneider,
Töpfer, Gärtner, Wäscher, Barbiere usw. leben alle in einer Welt
für sich. Diese zersetzende Bewegung ist nicht einmal zum Ab-
schluß
gekommen, sondern macht noch beständig weitere Fort-
schritte
; denn jede Arbeitsteilung bedeutet das Entstehen einer
neuen Kaste, ja, oft genug wird eine solche durch eine kleine Ab-
weichung
von dem herkömmlichen Verfahren bei der Ausübung
eines Handwerks ins Leben gerufen. In Cuttack, der südlichsten
Landschaft von Bengalen, heiraten z. B. die Töpfer, die ihre Scheibe
sitzend drehen und kleine Töpfe anfertigen, nicht mit denen, welche
die Scheibe stehend drehen und große Töpfe machen. In einem
anderen Teile Indiens sind zwischen denjenigen Fischern, die bei
der Herstellung der Netze die Maschen von rechts nach links arbei-
ten
, und denen, die dies von links nach rechts tun, Ehen verboten.

Daß das Kastenwesen durch die Erblichkeit des Berufs, für den
der Hindu von Jugend auf vorbereitet wird, und durch das feste
Zusammenhalten der Zunft gewisse Vorteile mit sich bringt, darf
nicht verkannt werden. Das zeigt die große Geschicklichkeit des
Hindu, selbst mit den allereinfachsten Werkzeugen saubere Arbeit
zu leisten, und die Blüte des indischen Kunsthandwerks, die jetzt
freilich großenteils dahinwelkt. Auch schützt die Kaste ihre Mit-
glieder
vor Lohnunterbietung und unlauterem Wettbewerb und
unterstützt verarmte Genossen. Aber diese Vorteile sind gering-
fügig
im Vergleich zu den schweren Schäden, die das Kastenwesen
dem indischen Volksleben zufügt. Mit Recht hat man gesagt: Der